Im ganzen Land läuft das Leben wieder an. Die Krabbenfischer dagegen müssen weiter im Hafen bleiben, weil durch die Corona-Pandemie viel weniger Krabben gepult werden. Für den Infektionsschutz in Marokko haben die Fischer Verständnis, aber die Förderung aus Berlin reicht hinten und vorne nicht.
Ob Tourismus, Handel oder Gastronomie: Deutschland macht sich locker, viele Branchen fahren die Geschäfte wieder hoch. Aber die Krabbenfischer müssen weiter im Hafen bleiben. Denn in Marokko, wo die Krabben entschält werden, gibt es weiterhin Ausgangssperren, um die Infektionsketten mit dem Corona-Virus zu unterbrechen. Die Schälzentren arbeiten nur mit maximal 30 Prozent ihrer Kapazität. Wann alle Mitarbeiter dort an ihre Arbeitsplätze zurückkommen können, ist ungewiss. Niemand traut sich derzeit eine Prognose zu.
In Deutschland steigt derweil die Nachfrage nach Krabben, seitdem die Touristen an die Nordseeküste zurückgekommen sind und dort ihr Krabbenbrötchen essen wollen. Und auch die Preise steigen, aber für Einzelhändler und Gastronomiebetriebe sind kaum Krabben zu bekommen. Für die Fischer wäre das eine wichtige Chance, ihr schlechtes Ergebnis aus dem vergangenen Jahr auszugleichen. Stattdessen liegen die Kutter die meiste Zeit im Hafen, weil das Pulen zum Flaschenhals geworden ist.
Die Fischer fühlen sich im Stich gelassen – vor allem von Berlin. Sie fordern eine faire Anwendung der europäischen Hilfen für die Tage, an denen sie wegen Corona im Hafen bleiben. Zum Beispiel nach holländischem Vorbild, denn diese Flotte fischt vielfach in den gleichen Gewässern. Die Fördersätze dort sind doppelt bis dreifach so hoch, die Regeln insgesamt viel flexibler. Während die deutschen Fischer die maximale Liegezeit von 30 Tagen in maximal drei Blöcken abrechnen können, dürfen die Niederländer die Ausfallsubventionen wochenweise aufsplitten. Dazu kommt: Das Geld kommt zu 75 Prozent aus europäischen Töpfen, die ohnehin für die Fischerei gebunden sind. Geld für einen höheren Fördersatz wäre also eigentlich da. Dirk Sander, der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes sagt: „Mit einer solchen Förderpraxis sind die deutschen Fischereibetriebe doppelt und über die eigentliche Krise hinaus betroffen, das kann nicht im Sinn des europäischen Gedankens sein.“
Mit Mahnwachen in Hannover und Kiel haben die Fischer nun auf ihre schwierige Situation aufmerksam gemacht – und rennen dabei offene Türen ein. Schleswig-Holsteins Fischereiminister Jan-Philipp Albrecht sagte zu der Stillliege-Prämie: „Die Sätze sind dürftig, sie sind mau.“ Er stehe voll und ganz hinter den Interessen der Fischerei, versicherte Albrecht. Auch seine niedersächsische Amtskollegin Barbara Otte-Kinast zeigte Verständnis für die Sorgen der Fischer. Die hoffen nun, dass Niedersachsen und Schleswig-Holstein Druck machen in Berlin. Ideal wäre eine Förderung wie in Holland, ähnlich hoch und ähnlich flexibel. Dann könnte jeweils wochenweise die Hälfte der Flotte fischen und den reduzierten Markt versorgen, während die andere Hälfte Subventionen erhält. So wäre es möglich, die Krabbenfischer, aber auch die anderen Arbeitsplätze zum Beispiel in den Siebstellen zu retten. Denn wie auf einem der Plakate auf der Demo in Hannover stand: „Wenn die Fischerei stirbt, stirbt die Küste."