Langsam gehen die Ferien im ganzen Land zu Ende. Weil in diesem Sommer nur wenig Leute in die Ferne reisen wollten, wurde es an der Nordsee eng. Aber die Krabbenfischer konnten – anders als die Hoteliers – den Ansturm auf die Nordseeküste nicht für sich nutzen.
In Büsum war es in diesem Sommer so voll, dass in der Innenstadt sogar an der frischen Luft die Maskenpflicht galt. Die ostfriesische Insel Langeoog machte zwischenzeitlich für Tagesgäste dicht und in St. Peter-Ording meldet nun eine Strandampel, wenn zu viele Sommerfrischler flanieren. Trotz voller Strände sind Krabbenfischer wie Stefan Schneidereit unzufrieden: „Im Moment darf ich 72 Stunden pro Woche fischen, maximal 2,2 Tonnen pro Woche. Mehr nimmt der Handel nicht ab, weil die Pulzentren in Marokko weiter nur ein Drittel der üblichen Menge verarbeiten.“ Einen kleinen Teil seiner Fänge verkauft der Fischer an seine Ehefrau, die vor allem Restaurants von Friedrichskoog bis Glückstadt beliefert. Sie und ihre drei Mitarbeiter pulen die Krabben vor Ort.
„Bei meiner Frau steht das Telefon nicht mehr still. Sie könnte im Moment die doppelte Menge verkaufen“, erzählt Stefan Schneidereit. Denn an den Fischbuden und in den Restaurants ist Krabbenfleisch knapp. Die Touristen haben Appetit auf die Nordsee-Spezialität, aber der Großhandel kann die Nachfrage kaum stillen. Seine Frau würde gern mehr Leute einstellen, aber sie findet keine Mitarbeiter: „Früher haben hier in Dithmarschen ganze Dörfer vom Krabbenpulen gelebt, heute kann das keiner mehr. Eine gute Schälerin pult gut zwei Pfund Fleisch die Stunde. Ich schaffe vielleicht ein Pfund. Beim Pulen geht es aber um Menge.“
Auch Krabbenfischer Heinz Steffens aus dem ostfriesischen Neuharlingersiel macht sich Sorgen um die Zukunft. Er fischt im Sommer nicht, dann zeigt er Touristen die Seehundbänke oder fährt mit ihnen zum Makrelenangeln. Auch in diesem Jahr sind die Fahrten mit seiner „Möwe“ quasi ausgebucht, aber auch hier gibt es Einschränkungen. Statt der üblichen 50 Passagiere können nur 30 Leute an Bord, damit der Abstand stimmt. „Die Preise habe ich aber nur minimal erhöht, die Fahrten müssen auch bezahlbar bleiben“, erklärt der Fischer. Für den Herbst melden die Hotels weiter gute Buchungszahlen – lässt sich die Saison mit den Gästefahrten nicht verlängern? „Das hängt vom Wetter ab“, sagt Heinz Steffens. „Wenn es zu unbeständig wird, kann ich nicht mit Touristen rausfahren.“
Bleibt also nur das schwierige Krabbengeschäft. Das Problem ist, dass ungepulte Krabben kaum nachgefragt werden. In Marokko gibt’s jedoch wenig Hoffnung, dass sich die Situation bald verbessert: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist weiter hoch, das Leben ist massiv eingeschränkt, manche Städte sind abgeriegelt. Internationale Flüge und Fähren sind – mit wenigen Ausnahmen – ausgesetzt, die Grenzen weitgehend dicht. Die Pulerinnen sitzen mit großem Abstand zueinander. Wie lange die Pulzentren überhaupt noch arbeiten, ist ungewiss.
Die Situation ist absurd für die Fischer: an der Küste brummt es, die Fangbedingungen sind bestens, aber sie werden ihre Krabben nicht los, weil sie nicht gepult werden können. Stefan Schneidereit hat das Geschäftsjahr 2020 längst abgeschrieben: „Vielen Fischern geht es richtig schlecht. Nächstes Jahr muss es einfach besser werden. Ich bin Fischer in vierter Generation. Ich wünsche mir, dass mein Sohn auch noch von unserem Handwerk leben kann.“
Foto: Peter Garten