Die Krabbenkutter mit ihren Baumkurren gehören zur Nordsee wie die Heuler oder die Möwen. Doch obwohl das Handwerk jahrhundertealt ist, weiß die Wissenschaft bis heute wenig über die Krabben. Die Krabbenarbeitsgruppe des Internationalen Rates für Meeresforschung will den kleinen Tierchen auf die Spur kommen.
Als einjährige Art sind die Krabben schwierig zu untersuchen. Aber weil das rote Gold der Nordsee zu den wichtigsten Fischereien an der deutschen Küste gehört, ist das Wissen um den Bestand, das Fanggerät oder die ökologischen Auswirkungen so wichtig. Eine wichtige Akteurin, um dem Leben der kleinen Tierchen auf die Spur zu kommen, ist die Krabbenarbeitsgruppe des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES). Vorsitzende ist Dr. Claudia Günther, Biologin an der Universität Hamburg. Das Netzwerk verbindet rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem aus den großen Krabbenfang-Nationen Deutschland, Dänemark und den Niederlanden. Vertreten sind auch Großbritannien, wo ebenfalls Krabben gefischt werden oder Belgien, wo die meisten Krabben auf den Tisch kommen.
Eines der wichtigsten Themen für die Arbeitsgruppe ist im Moment der Umgang mit Beifang. Hintergrund ist das Anlandegebot der EU, das Fischer verpflichtet, alles anzulanden, was sich in ihren Netzen verfängt – also auch den Beifang. Bisher sind die Krabbenfischer von dieser Regelung ausgenommen. Damit die Ausnahme aber dauerhaft gilt, müssen die Fischer nachweisen, dass nur ein geringer Teil ihres Beifangs zu den kommerziell nutzbaren Arten wie zum Beispiel Scholle oder Kabeljau gehört. „In unserer Arbeitsgruppe stimmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab, um die Untersuchungsergebnisse aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden vergleichen zu können“, erklärt Claudia Günther.
Für die Biologin ist aber auch klar: „Eine Krabbenfischerei ohne Beifang wird es nie geben. Die zu 100 Prozent selektive Netzfischerei wurde noch nicht erfunden.“ Aber natürlich – weniger Beifang, das wollen alle, auch die Fischer. Und je mehr man darüber weiß und die Lebenszyklen der Krabbe und die Wechselwirkungen mit anderen Arten versteht, desto besser lässt sich Beifang vermeiden. Vielleicht sind regional oder saisonal unterschiedliche Netze eine Lösung? Oder das Sperren von Gebieten, in denen überdurchschnittlich viele Plattfische oder Grundeln ins Netz gehen? Oder man reduziert die Fischerei in Monaten, in denen besonders viele Jungfische und Meeresgetier ungewollt gefangen werden? „Ganz grundsätzlich ist vieles vorstellbar, im Moment stehen wir bei den Überlegungen ganz am Anfang. Die Vergleichbarkeit der Daten ist für uns aber besonders für die künftigen Perspektiven wertvoll“, erklärt Claudia Günther.
Vergleichbarkeit ist ein wichtiges Stichwort. Insgesamt hat die Zusammenarbeit in der Wissenschaft in den vergangenen Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Der Grund dafür ist die gemeinsame Zertifizierung der deutschen, der dänischen und der niederländischen Krabbenfischerei mit dem Umweltsiegel MSC (Marine Stewardship Council). „Der gemeinsame Prozess bringt viel frischen Wind in unsere Arbeitsgruppe“, freut sich Claudia Günther.
Das gemeinsame Ziel, die Krabbenfischerei nachhaltiger zu machen, spielt auch in ihrem aktuellen Forschungsprojekt eine entscheidende Rolle. Das Projekt heißt CranMan und wird von der Universität Hamburg und dem Thünen-Institut gemeinsam durchgeführt. Es geht darum, das Selbstmanagement zu überprüfen, zu dem sich die drei Krabbenfischerei-Nationen im Zuge des MSC-Siegels verpflichtet haben. Dieser Managementplan ist der erste Versuch in der langen Geschichte des Handwerks, den Krabbenbestand zu überwachen und zum Beispiel bei einem Rückgang des Bestands die Fischerei einzuschränken. Wie wirken die Tools, die sich die Fischer ausgedacht haben? Und wie sollte die Fischerei damit umgehen, dass es Jahre mit sehr wenigen, aber auch mit sehr vielen Krabben gibt? „Es geht darum, die Fischer in ihrem Bemühen um mehr Nachhaltigkeit durch eine wissenschaftliche Begleitung zu unterstützen“, erklärt Claudia Günther. Sehr positiv bewertet sie dabei die Zusammenarbeit mit den Fischereivertretern: „Die Informationen direkt von der Küste sind für unsere Arbeit ungemein bereichernd.“ Mit ersten Ergebnissen rechnet sie Anfang 2021. Sie werden mit großer Spannung erwartet bei der Krabbenarbeitsgruppe des ICES, aber natürlich auch bei den Fischern. Denn auch bei den Fischern ist klar: Sie können nur so viel fangen, dass es auch im kommenden Jahr genügend Nachwuchs gibt und die Netze wieder voll sind.