Seit 2019 gilt in Europa das Anlandegebot. Fischer müssen auch ihren Beifang an Land bringen, der dann auf die Fangquoten angerechnet wird. Ziel ist es, selektivere Fanggeräte zu entwickeln. Für die Krabbenfischerei gilt derzeit eine Ausnahme. Die Fischer wünschen sich, dass die Sonderregelung dauerhaft gilt. Denn Scholle, Wittling oder Hering landen nur in geringen Mengen in ihren Netzen.

Wie lässt sich mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Fisch aus dem Meer ziehen? Dieser Fokus auf Masse gehört in der europäischen Fischerei der Vergangenheit an. Immer mehr geht es um einen behutsamen Umgang mit den Ressourcen und ethische Fragen. Die Europäische Union hat deshalb ein Anlandegebot verabredet. Fischer sollen alle quotierten Arten in ihren Netzen an Land bringen. So wird der Beifang nicht mehr über Bord gekippt, sondern verwertet und auf die Quote angerechnet. Damit will man Anreize setzen, Netze selektiver zu gestalten. Idealerweise wird nur der Fisch gefangen, der anschließend auch auf dem Teller landet. Für die Krabbenfischer gilt dieses Rückwurfverbot derzeit allerdings nicht, sie haben eine Ausnahmegenehmigung. Denn sie fangen nur wenig Wittling, Hering, Scholle und Co. Seit Jahren sind die Netze mit eingebauten „Fluchtklappen“ ausgerüstet, so dass Fische, die ungewollt zwischen den Krabben landen, wieder herausschwimmen können. Und: Sollte dennoch Beifang auftreten, kann dieser mit modernen Sortiermaschinen oft lebendig ins Meer zurückgeworfen werden und dort weiterwachsen.

Die Ausnahmegenehmigung für die Krabbenfischerei gilt bis 2021. Seit 2019 sollen die Fischer Proben ihrer Fänge an die Wissenschaft liefern, um zu belegen, dass sich tatsächlich nur geringe Mengen quotierter Arten finden. Trotz einiger „Kinderkrankheiten“ im Beprobungsplan und dessen Umsetzung haben fast alle teilnehmenden Fischer 2019 die ersten Proben abgeliefert. Und das obwohl Fischer keine Wissenschaftler sind und eine Anleitung brauchen. Im vergangenen Jahr hat die Corona-Krise den Fischern aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht alle Kutter konnten ihre Proben abgeben. Zum einen waren die Fischer meist in den Häfen, weil sie ihre Ware wegen fehlender Schälkapazitäten kaum verkaufen konnten. Zum anderen standen bei den wenigen Fangreisen coronabedingt Hygieneverordnungen und Einschränkungen im Vordergrund. So landeten deutlich weniger Proben als geplant bei den Wissenschaftlern des Bremerhavener Thünen-Instituts.

Dr. Kim Hünerlage und Tim Schorr vom Thünen-Institut haben die tiefgefrorenen 10-Liter-Eimer mit den Fängen der Fischer zur Auswertung auf dem Tisch: „Die Proben geben uns wichtige Daten, um zu bewerten, ob die Ausnahmegenehmigung der Krabbenfischerei berechtigt ist und ob es zukünftig so weiter gehen kann“, sagt die Meeresbiologin. Ausgewertet sind schon die Proben für 2019. Dr. Kim Hünerlage hat nur wenige Wittlinge, Schollen, Heringe und ganz vereinzelt Sprotten, Seezungen, Sandaale und Limanden gefunden. Die quotierten Arten in den Eimerproben machen im Schnitt nur fünf Prozent des Gesamtgewichts aus. Um abschließend bewerten zu können, ob die Ausnahmegenehmigung für die Fischerei gerechtfertigt ist, muss das Gewicht der beigefangenen quotierten Arten in Relation zur Gesamtfangmenge der quotierten Arten gesetzt werden. So will man herausfinden, ob durch die Krabbenfischerei tatsächlich nur ein geringfügiger Anteil an wertvollem Speisefisch verloren geht: „Der Trend zeigt, dass die Krabbenfischer nur einen Bruchteil am Gesamtgewicht der quotierten Arten anlanden. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Ausnahmegenehmigung dauerhaft Bestand haben könnte. Dafür sind die bisher zusammengetragenen Daten aber nicht ausreichend. Hier muss sich in den nächsten Jahren noch Routine einspielen, um wissenschaftlich belastbare Ergebnisse zu erzielen und so die Ausnahmegenehmigung abzusichern.“

Wie den deutschen Fischern geht es auch den Kollegen in Dänemark und den Niederlanden. Auch sie haben wegen der Corona-Krise weniger Fangproben abgegeben. An den niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Küsten setzt man sich nun beim Bund dafür ein, dass der Untersuchungszeitraum verlängert wird. In diesem Jahr wollen die Fischer weiter untermauern, dass tatsächlich vor allem Krabben in ihren Netzen schwimmen. Denn natürlich ist allen bewusst, wie wichtig ein ökologisches Arbeiten für die gesamte Branche ist. Auch aus wirtschaftlicher Sicht. Nur wer heute nachhaltig arbeitet, kann auch morgen wieder die Schätze der Meere fischen.

 

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