Das Jahr 2016 markiert in der Krabbenfischerei eine Revolution. Erstmals in ihrer jahrhundertealten Geschichte haben sich die drei Fangnationen auf Regeln geeinigt, um gemeinsam sorgsam mit dem Bestand und dem Wattenmeer umzugehen. Ob das funktioniert, hat die Universität Hamburg untersucht.
Hering, Kabeljau oder Dorsch – für fast alle europäischen Fischereien gibt es Quoten, die festlegen, wer wie viel fangen darf. Bei der Krabbenfischerei ist das anders, für das Gold der Nordsee gibt es keine Quoten. Weil sich Krabben schnell vermehren, funktionieren jährliche Prognosen zur Bestandsentwicklung nicht. Die Fischer müssen viel flexibler auf das Treiben unterm Kiel reagieren. Deshalb haben sich die Betriebe aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden 2016 auf Regeln geeinigt. Ihr gemeinsames Ziel mit dem Managementplan: das begehrte Nachhaltigkeitssiegel des Marine Stewardship Council (MSC). Zentrale Punkte sind die Erweiterung der Maschengrößen, damit weniger zu kleine, also untermaßige Krabben in die Netze gehen, und Fangpausen, wenn zu wenig Krabben da sind. Mit diesen Regeln waren sie mit ihrer MSC-Bewerbung erfolgreich.
Wie funktioniert das gemeinsame Management in der Realität? Georg Respondek, Biologe an der Universität Hamburg, hat das untersucht und zieht eine positive Bilanz: „Das Selbstmanagement ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.“ Besonders bemerkenswert ist das, weil die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren sehr schwierig waren. Angefangen von coronabedingten Absatzproblemen über schlechte Fänge zum Beispiel 2016 bis hin zu den Sprachbarrieren zwischen Deutschen, Dänen und Niederländern. Allein die Tatsache, dass es den gemeinsamen Managementplan immer noch gibt, wertet der Wissenschaftler als Erfolg.
Spezielle Spielregeln für die Winterfischerei erarbeiten
Um das Management noch passgenauer zu machen, empfiehlt Georg Respondek eine stärkere regionale Komponente und eine strengere Regulierung der Winterfischerei. Bei der Analyse der Aufwands- und Anlandedaten aus den drei Ländern ist aufgefallen, dass die Winterfischerei einen großen Einfluss darauf hat, wie stark der Jahrgang ist, der im darauffolgenden Sommer in den Netzen landet: „Auch wenn wir noch mehr Informationen darüber brauchen, wie alles miteinander zusammenhängt, ist dieser Befund sehr deutlich“, erklärt Georg Respondek. Die Verbindung zwischen der Sommer- und der Winterfischerei sollte der Managementplan mit besonderen Regeln berücksichtigen.
Der Biologe plädiert außerdem für eine regionale Aufsplittung: „Nach unseren Untersuchungen hängen die Krabbenbestände in den verschiedenen Gebieten miteinander zusammen. Wenn zum Beispiel im Januar und Februar viel vor der holländischen Küste gefischt wird, finden sich ab August weniger Krabben an der schleswig-holsteinischen Küste.“ Vermutlich gibt es also Gebiete, die im Winter als Kinderstube dienen, wo viele Krabben heranwachsen und sich von da aus auf das gesamte Fanggebiet verteilen. Wenn man diese Gebiete im Winter schont, könnte sich das mit höheren Erträgen im Sommer und Herbst auszahlen. Für eine stärkere regionale Betrachtung plädiert Georg Respondek ganz grundsätzlich. 2016 waren zum Beispiel die Fänge vor Holland im Herbst sehr hoch, während die norddeutschen Fischer mit fast leeren Netzen in die Häfen zurückkamen. Derzeit werden die Ergebnisse aller Kutter aber zusammengezählt und der Durchschnitt berechnet. Nur wenn die Fischer insgesamt wenig fangen, sieht der Managementplan eine Einschränkung der Fangzeiten vor, damit sich die Bestände wieder erholen können. Eine regionale Komponente würde hier helfen.
Vertrauen unter den Fischern stärken
Ganz wichtig für eine freiwillige Bewirtschaftung der Bestände ist gegenseitiges Vertrauen: „Wenn wir einen Managementplan nur für die Fischer aus Büsum hätten, wäre es leicht, weil hier jeder jeden kennt. Der dänische Fischer weiß aber nicht, ob sich der Kollege vor der holländischen Küste an die Absprachen hält.“ Wie man dieses Vertrauen, die Zusammenarbeit und damit auch die Akzeptanz des Managementplans noch mehr stärken kann, soll mit einer Umfrage unter den Fischern erarbeitet werden. Georg Respondek plant im Moment diese Umfrage und appelliert an die Fischerei, sich zu beteiligen: „Die Fischerei hat jetzt die Möglichkeit praktikable Lösungen zu erarbeiten. Wenn die Fischer ihr Wissen einfließen lassen, ist das eine Chance mitzugestalten und die Regeln sinnvoll zu erweitern. Wir brauchen die Erfahrungen aus der Fischerei, denn auf manch kluge Idee kommt man nicht vom Schreibtisch aus.“