2,3 Millionen Euro investiert das Land Niedersachsen in ein Projekt zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung in der Krabbenfischerei. Zentral ist die Entwicklung einer Pulmaschine. Die Hoffnung: ein erster Prototyp der Maschine, die das Pulen in Marokko überflüssig machen soll. Das Forschungsprojekt nimmt aber auch in den Blick, wie sich die kleinen Betriebe langfristig halten können.
Dass sich etwas in der Krabbenfischerei ändern muss, ist schon lange klar. Zuerst Corona, dann der Krieg in der Ukraine: Diese Krisen haben deutlich gemacht, wie verwundbar die Fischerei ist. Denn sobald bei den globalisierten Transportketten an irgendeiner Stelle Sand ins Getriebe kommt, funktioniert nichts mehr. Nach drei Jahren Krise herrscht Verzweiflung an den Kaikanten der Nordsee, die letzten Reserven sind aufgebraucht. Befristete staatliche Hilfen verschaffen zwar Atempausen, aber eine langfristige Strategie muss her.
Perspektiven für die Familienbetriebe
Wie lassen sich die kleinen Familienbetriebe in den Nordseehäfen halten? Das ist die große Frage und das neue Forschungsprojekt zur Krabbenpulmaschine soll der Antwort ein Stück näherkommen. Das Projekt greift die Idee einer ostfriesischen Ingenieurin auf. Mit Stoßwellen zertrümmert sie den Panzer der Krabbe und löst das Fleisch aus der Schale. Fischereiökonom Dr. Ralf Döring vom Thünen-Institut für Seefischerei leitet das Forschungsprojekt. Er erklärt: „Grundsätzlich funktioniert das Verfahren. Nun müssen wir prüfen, ob wir mit einer solchen Maschine große Mengen Krabben in guter Qualität entschälen können. Zentral ist natürlich auch die Frage, ob sich das rechnet.“
Das Forschungsprojekt untersucht aber noch mehr – nämlich ganz grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit der Branche. Dr. Ralf Döring erklärt: „Wir sehen, dass die Anzahl der Betriebe sinkt und die Investitionen gering sind. Deshalb fragen wir, was die Fischer an Investitionen hindert. Schließlich wirtschaftet die Konkurrenz in den Niederlanden und Dänemark erfolgreicher.“ Im wissenschaftlichen Fokus sind außerdem die besondere Struktur des Handels, aber auch das wachsende Umweltbewusstsein der Gesellschaft: „Hier ist zum Beispiel die Frage, wie lange die Verbraucherinnen und Verbraucher noch die langen Transportwege akzeptieren.“
Wie viel zahlt die Kundschaft für eine regionale Verarbeitung?
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist der Markt. Wie kann der Markt aussehen für Krabben, die per Pulmaschine entschält werden? Wie will der Einzelhandel das Produkt in die Regale bringen? Wie viel wollen Verbraucherinnen und Verbraucher für regional verarbeitete Krabben bezahlen? Und wie muss die Logistik beschaffen sein, damit tausende Tonnen schnell verderblicher Ware in kürzester Zeit auf die Teller kommen? Und zwar im Idealfall auf heimische Teller und nicht auf Teller in Belgien, wo weltweit bisher die meisten Krabben gegessen werden. Oder wird man dafür weiterhin die Handentschälung in Marokko brauchen? Mit verschiedenen Szenarien wollen die Wissenschaftler der Zukunft ein Stück näherkommen.
Für das Forschungsprojekt arbeiten das Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven, die Universität Göttingen und die Firma US Processing Klever zusammen. Ende 2024 sollen die letzten Ergebnisse vorliegen, wobei Zwischenergebnisse auch vorher schon vom Thünen-Institut veröffentlicht werden. Dr. Ralf Döring erklärt: „Im Moment ist die Lage sehr ernst. Wir müssen aber die Auswirkungen der kurzfristigen Krisen derzeit trennen von der grundsätzlichen Zukunft der Branche. Denn im Vergleich zur Ostseefischerei haben wir den riesigen Vorteil, dass wir ein regionales Produkt aus einem stabilen Bestand haben. Ich glaube: Wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, für regional entschälte Krabben auch mehr zu bezahlen, werden wir auch die Struktur der Familienbetriebe in der Krabbenfischerei erhalten können.“
Foto: Übergabe des Förderbescheids im Hafen von Greetsiel