Holger Tilch im Interview

Kann man Krabben eigentlich managen? Schwer, denn sie haben ihren ganz eigenen Kopf und lassen sich nicht mit anderen Arten vergleichen. Wir managen die Fischerei und nicht den Bestand. Der Mangel an validen Daten zur Nordseegarnele hat es den Entwicklern des Managementplans zur MSC-Zertifizierung der Krabbenfischerei nicht leicht gemacht. Sinnvolle Regeln brauchen nun mal eine solide Basis, auf die man sie anwenden kann. Und ohne Regeln – kein Zertifikat. Heute steht der Managementplan für die Krabbenfischer und die Vorschriften greifen seit dem 1. Januar 2016. Ob sie auch eingehalten werden, prüft Holger Tilch (59), Mitarbeiter in den Prüfdiensten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Seit fünf Jahren begleitet er als unabhängiger Prüfer die deutschen Fischer und damit seit 2013 die EzDK und ihre Mitglieder auf dem Weg der Zertifizierung. Auch für ihn ein Lernprozess.

 

Herr Tilch, sind Sie ein gern gesehener Besucher an Bord?

Na ja, es gibt sicherlich Besucher, die man lieber begrüßt, aber letztendlich wissen doch alle, dass meine Arbeit dem Prozess dient und damit dem Fortbestand der Krabbenfischerei. Der Managementplan ist ja ein freiwilliges Instrument und deshalb ist die Kontrolle auch freiwillig. Ich habe die Fischer als sehr kooperativ kennengelernt und bin immer nett empfangen worden.

 

Was und wen kontrollieren Sie?

Die Fischereibetriebe, die Erzeugergemeinschaften und die Siebstellen. Das sind knapp 400 Schiffe: 200 aus den Niederlanden, 160 aus Deutschland und 30 aus Dänemark. Dazu kommen 10 Siebstellen in Deutschland, sieben in den Niederlanden und zwei aus Dänemark. Drei davon gehören Erzeugerorganisationen, die anderen sind in privater Hand. Seit Anfang des Jahres habe ich mit Jan-Martien Zuidema einen holländischen Kollegen, der seine Landsleute übernimmt, die dänischen Betriebe mache ich. Das ist die Regel, aber selbstverständlich sind wir beide berechtigt, alle Kutter und Siebstellen zu prüfen – egal wo.

 

Das hört sich nicht nach Bürojob an. Wie oft sind Sie vor Ort?

Leider nimmt der Papierkram zu, natürlich muss alles protokolliert und systematisiert werden. Ich prüfe ja nicht zum Selbstzweck, sondern stelle die Ergebnisse den Zertifizierern zur Verfügung. Aber mindestens zwei von fünf Arbeitstagen bin ich vor Ort oder an Bord.

 

Wie muss man sich so einen Tag vorstellen?

Ich überprüfe die Siebstellen und die Kutter. Bei den Siebstellen ist das wichtigste Kriterium der Siebabfall. Das sind alle Krabben, deren Panzerbreite kleiner als 6,8 Millimeter ist. Sie sind zu klein für den Verkauf, fallen also durch das Sieb. Fällt in einem Betrieb im 14-tägigen Mittel mehr als 15 Prozent Siebabfall an, beanstande ich das. Warum? Es sollen nach Möglichkeit nur maßige Krabben angelandet werden, die untermaßigen Krabben sollen im Meer bleiben und wachsen. Somit ist der Anteil von Siebkrabben auch ein Maß für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung des Bestandes. Grundsätzlich müssen die Mengen von Krabben, die durch das Sieb fallen mit den Mengen übereinstimmen, die die Siebstelle als „Abfall“ – sie werden zu Fischmehl verarbeitet – verlassen. Das kontrolliere ich.

 

Und auf den Kuttern?

Da gibt es so einiges: die korrekte Maschenöffnung der Fangnetze, ich wiege das Fanggeschirr inklusive Netz und Rollen und vermesse die Länge des Kurrbaumes, an dem das Netz hängt. Die Motorleistung des Kutters darf nicht über 221 KW liegen. Die Kutter haben ein Monitoringsystem an Bord, das automatisch und ständig Positionssignale an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sendet, die Blackbox im Ruderhaus muss aktiv sein. Wichtig sind natürlich vor allem die Maschenöffnung und die Anordnung der Netze. Größere Fische dürfen nicht im Steert mitgefangen werden, die müssen einen Ausgang haben – das so genannte Siebnetz.

 

Sie sind jetzt schon viele Jahre dabei, was hat sich denn verändert?

Die Kriterien haben sich verändert, natürlich ist alles strenger geworden. Auch der Sanktionsgrad, wenn es zu Beanstandungen meinerseits kommt. Das kann bis hin zu Seezeitbeschränkung gehen, wenn die Bestände sichtbar dezimiert sind. Aktuell sind wir in so einer Phase. Und bei Verfehlungen in einer Kategorie, also zum Beispiel dem wiederholten Einsatz zu kleiner Maschen, ist der Fischer erst nach zwei Jahren wieder „sauber“. Das ist wie mit den Punkten in Flensburg. Bei den Siebstellen gab es früher kaum Regeln, die Siebflächen hatten sich teilweise auf einen halben Quadratmeter reduziert. Damit produziert man viel weniger Siebabfall. Heute ist mindestens ein Quadratmeter Pflicht.

 

Thema Sanktionierungen – prüfen Sie auch, dass die tatsächlich umgesetzt werden?

Natürlich! Wenn ein Fischer einer Erzeugerorganisation eine Geldbuße bekommen hat, dann will ich in den Akten den Überweisungsträger sehen. 

 

Was reizt sie an dieser Aufgabe?

Spannend ist, dass bei den Krabbenfischern noch nichts in Stein gemeißelt ist. Wir müssen ja auch prüfen, ob die selbstauferlegten Regeln ein sinnvolles System ergeben.

 

Warum ist eine länderübergreifende Organisation so wichtig?

Weil die Krabbe keine Ländergrenzen kennt und weil die Fischer natürlich auch in den Häfen der Nachbarländer anlanden.

 

Wie ist der Stand in Sachen Zertifizierung durch das MSC?

Im Frühjahr waren Vertreter des MSC zum so genannten „Site visit“, also einer Begutachtung vor Ort in Büsum und Den Oever in den Niederlanden. Anschließend haben sie sich den Prüfbericht schicken lassen. Darüber brüten sie jetzt.

 

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