Der Weg der Krabbe vom Kutter auf den Teller
Die Krabbenkutter sorgen an der Nordseeküste für eine malerische Kulisse. Mit Romantik hat die Arbeit auf den Kuttern aber wenig zu tun. Bis die Garnelen auf ein Brötchen kommen, gibt es auf den rund 200 Kuttern jede Menge Arbeit.
Wann der Arbeitstag des Krabbenfischers beginnt, bestimmt die Natur. Denn die rund 20 Häfen zwischen dem ostfriesischen Fischerdorf Ditzum und List auf Sylt sind zumeist abhängig von den Gezeiten. Bei Niedrigwasser liegen einige Schiffe hier auf dem Schlick. Raus geht’s also bei Hochwasser. Egal, ob es regnet oder stürmt. Nur im Januar und Februar machen die meisten Fischer Pause: „Da verzieht sich die Krabbe in tiefere Gewässer und viele Fischer überholen das Equipment wie Netze und Fanggeschirre“, erklärt Philipp Oberdörffer von der Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer.
Und wie spürt der Fischer die Krabben auf? „Der Fischer leckt den Finger an, hält ihn in den Wind und dann weiß er, wo er fischen muss“, erklärt Oberdörffer das Unerklärliche. Was draußen im Wattenmeer zählt, ist Erfahrung. Woher kommt der Wind? Wie ist das Wetter? An welcher Kante steht die Krabbe zu dieser Jahreszeit? Ein Echolot hilft bei den unberechenbaren Tierchen nicht weiter. Das Wissen wird in den Fischerfamilien von Generation zu Generation weitergegeben. Ist die richtige Stelle gefunden, werden die Netze ausgeworfen. Das Fanggerät heißt Baumkurre. Das sind Netze, die von einem Stahlbaum offengehalten werden – vom Meeresboden bis auf Kniehöhe. Und zwar auf beiden Seiten des Kutters. Ein Rollergeschirr scheucht die Garnelen vom Boden auf und direkt in die Netze.
Der Fang sammelt sich im sackförmigen Ende des Netzes, dem sogenannten Steert. Nach bis zu drei Stunden Schleppzeit wird der Fang aus dem Steert in einen Trichter geschüttet. Ein Förderband transportiert das Meeresgetier anschließend in eine Siebmaschine, um den Beifang auszusortieren. Plattfische, Krebse, Seesterne und zu kleine Krabben, die nicht verwendet werden können, gehen zurück ins Meer. „Mit Ausnahme der Rundfische überlebt der größte Teil des Beifangs diese Prozedur. Denn der Wattenmeer-Bewohner ist Kummer gewohnt“, erklärt der Fischereibiologe Oberdörffer. Extreme Temperaturschwankungen und die Bewegungen der Sedimente sind typische Belastungen im Lebensraum Wattenmeer. „Die Organismen, die das aushalten, bewältigen auch den Stress des Fangvorgangs.“
Wenn die Garnelen vom Beifang getrennt sind, werden sie an Bord in Meerwasser gekocht. Dabei krümmen sie sich und erhalten ihre typische Farbe. Anschließend werden sie auf null bis zwei Grad heruntergekühlt. Nach maximal 72 Stunden löschen die Kutter ihre Fracht. Im Hafen werden die Krabben aus dem Kühlraum der Schiffe auf Kühllaster verladen. Der Fang geht zu den drei Siebstellen, die die Erzeugergemeinschaft betreibt. In Büsum, Cuxhaven und Neuharlingersiel wird sortiert nach Größe und Qualität. Von den Siebstellen aus geht der Fang an den Großhandel, der das Pulen, die Verpackung und den Vertrieb übernimmt.
Und so landet die Krabbe wieder in den Fischbuden und Restaurants der Nordseeküste. In diesem Sommer mussten die Freunde des Nordseegolds tief in die Tasche greifen für ihr Krabbenbrötchen. Schuld waren die geringen Fangmengen. Für den Herbst hoffen die Fischer auf vollere Netze. Wer es günstiger haben möchte, der muss die Krabben selbst aus der Schale holen!