Volle Lager, niedrige Preise

Wie viele Krabben pro Saison in den Weiten der Nordsee heranwachsen, ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Verschiedene Faktoren haben Einfluss auf die Entwicklung der Nordseegarnelen – darunter die Wassertemperatur, das Nahrungsangebot, aber auch die Fischerei.

Manch eingefleischter Nordsee-Tourist wundert sich: Warum kostet das Krabbenbrötchen in einem Jahr stolze 11,50 Euro? Im anderen Jahr nur die Hälfte? Schuld ist die Unberechenbarkeit der Krabbe: „Bei Säugetieren an Land ist es so, dass wir bei einer großen Elterngeneration in der Regel auch viel Nachwuchs erwarten können“, erklärt Dr. Claudia Günther, die an der Universität Hamburg zur Reproduktion der Nordsee-Garnelen forscht. Diese Regel stellt die Krabbe jedoch auf den Kopf. Denn nach bisherigem Erkenntnisstand kann auch ein sehr kleiner Bestand an Elterntieren einen riesigen Jahrgang produzieren. Große Garnelen-Weibchen können auf einen Schlag bis zu 10.000 Eier produzieren. Andersherum gilt: Ein großer Bestand an Elterntieren führt nicht automatisch zu viel Nachwuchs.

Wie sich die Eier tatsächlich entwickeln, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Weibchen tragen die Eier zunächst an ihren Schwimmbeinen mit sich herum, um gute Umgebungsbedingungen zu schaffen. So versuchen sie ihren Nachwuchs zu schützen. Für das Wachstum der Eier ist vor allem die Wassertemperatur entscheidend: Je höher, desto besser. Nach dem Schlüpfen braucht der Nachwuchs Nahrung. Grundsätzlich sind Krabben nicht auf bestimmtes Futter festgelegt, sie fressen unterschiedliche Krebse, Würmer und Weichtiere. Trotzdem gibt es hungernde Nordseekrabben. „Die Bedeutung der hungernden Krabben für die Bestandsentwicklung kennen wir aber noch nicht“, erklärt Claudia Günther. Auch Räuber wie der Wittling oder der Kabeljau können Bestände dezimieren. Im Jahr 2017 zum Beispiel war der Wittling mitverantwortlich, dass die Netze der Fischer leer blieben. „In den vergangenen 20 Jahren beobachten wir aber, dass sich die Raubfischbestände in der südlichen Nordsee reduziert haben“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Die meisten Nordseegarnelen werden nicht älter als ein Jahr: Dann landen sie im Maul eines Wittlings oder Kabeljaus oder sie gehen den Krabbenfischern ins Netz. Wie viel die Krabbenfischer fischen dürfen, regelt der Managementplan, der bei der Bewerbung für das Nachhaltigkeitssiegel MSC entwickelt wurde. So ist sichergestellt, dass die Bestände nicht überfischt werden. Für den kommenden Sommer können sich die Nordsee-Touristen freuen: Wegen der guten Fänge im Herbst und im Frühjahr sind die Lager voll, so dass die Preise günstig sind. Problematisch ist die Situation jedoch für die Krabbenfischer. Denn bei niedrigen Preisen ist es schwierig, die Familienbetriebe über die Runden zu bringen. Und mal wieder zeigt sich: Trotz jahrhundertealter Tradition bleibt das Geschäft mit der Krabbe ein Lottospiel.

JoomlaMan