Ein Leben an Land? Für Silas Caspers ist das nicht vorstellbar. Seit August vergangenen Jahres geht der 17-Jährige zusammen mit seinem Vater auf Krabbenfang. Die Fischerei ist viel besser als ihr Ruf, findet der angehende Fischwirt.
Bei Wind und Wetter draußen, Arbeitszeiten nach dem Tidenkalender, Kisten schleppen: Es gibt sicher Branchen, in denen sich leichter Geld verdienen lässt. Und dennoch hat sich Silas Caspers für die Fischerei entschieden. So wie sein Vater, sein Opa, sein Uropa und der Ururopa auch. „Ich mag es, unterwegs zu sein. Man kann auf den Horizont schauen, wird nicht gestört und ist sein eigener Herr. Das finde ich toll“, sagt der junge Mann. „Das erste Mal war er als Baby auf einem Fischkutter, später ist er ab und an bei seinem Vater auf der Gerda Bianka mit rausgefahren. „Dass man als Fischer so viel von zuhause weg ist, finde ich schon schwierig, aber es macht mir großen Spaß. Und bei uns liegt es wohl einfach im Blut.“
Von Accumersiel aus fährt Familie Caspers zur See, so wie die Vorfahren auch. Vater Tom ist stolz auf seinen Sohn: „Wir haben nie gesagt, dass er die Familientradition fortführen soll. Aber jetzt ist er mit Leib und Seele dabei.“ Das vergangene Jahr war eines der schlechtesten Jahre für die Krabbenfischerei. Dass das Geschäft kaum kalkulierbar ist, daran hat sich die Familie gewöhnt: „Mein Opa hat immer gesagt: Mal ist man arm, mal reich und manchmal hat man gar nichts. Man muss einfach durchhalten, irgendwann geht’s immer aufwärts“, findet Tom Caspers. Heute zieht es aber immer weniger junge Leute auf See. Silas ist da eine Ausnahme. Laut Statistik des Bundeslandwirtschaftsministeriums gab es 2018 genau 189 Auszubildende zum Fischwirt, verteilt über die drei Ausbildungsjahre. Zum Vergleich: 2006 waren es 329 Schulabgänger, die den Beruf erlernten. Dazu kommt: Nur ein kleiner Teil der jungen Leute ist auf Kuttern in Nord- und Ostsee unterwegs. In die Statistik gehen allein 54 angehende Fischwirte aus Bayern ein, die in Aquakulturbetrieben Forellen und Karpfen aufziehen. Aus den Küstenländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kamen nur 78 der insgesamt 189 Azubis im Jahr 2018.
Auch an der Fischereischule Rendsburg, an der vor allem junge Männer aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen lernen, macht sich der Trend bemerkbar. Dr. Karsten Zumholz sagt: „Ja, es sind weniger geworden. Wir haben im Schnitt um die 15 Schüler pro Jahrgang, etwa die Hälfte davon kommt aus der Krabbenfischerei.“ Viele Schüler kommen wie Silas Caspers aus Fischerfamilien, mindestens jedoch von der Küste. Dass jemand aus dem Binnenland auf einen Kutter kommt, ist schon sehr selten. Für Karsten Zumholz haben die Nachwuchsprobleme vor allem mit dem Image der Branche zu tun: „Die öffentliche Meinung über die Fischerei ist katastrophal. Die Fischer werden als die größten Umweltsünder und Meeresnaturzerstörer hingestellt. Da wird alles sehr einfach über einen Kamm geschoren.“ Dabei sind verschiedene Fischereien – auch die Krabbenfischerei – mit dem Nachhaltigkeitssiegel MSC ausgezeichnet. Die Krabbenfischer entsorgen darüber hinaus Meeresmüll, der sich in ihren Netzen verfängt, beteiligen sich an Forschungsprojekten für mehr Umweltschutz und haben heute ihre Netze mit Fluchtschleusen ausgestattet, damit Fische wieder herausschwimmen können.
Silas Caspers verfolgt die Entwicklung genau. Er ist sich sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat: „Auch wenn es lange Arbeitstage sind, mit meinen Freunden möchte ich nicht tauschen. Da draußen macht man einfach sein Ding. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.“